ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

Talbrücke bei der Arensburg

Zu den großen Talbrücken für den Übergang durch das Weserbergland im Zuge der Reichsautobahnstrecke Duisburg - Hannover gehört die Brücke bei der Arensburg zwischen den Anschlussstellen Bad Eilsen-West und -Ost der BAB A2. Diese Brücke gehört zu jenen, die im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus der Bundesautobahn A2 einen umfassenden Umbau und eine Ergänzung durch ein neues Brückenbauwerk erhielten.

Die Zeitschrift "Die Strasse" 4 (1937), Heft 14, enthält einen längeren Aufsatz von Karl Schaechterle über "Wölbbrückenbau der Reichsautobahnen". Teil 5 dieses Ausatzes beschäftigt sich mit der Talbrücke Arensburg und wird nachstehend wiedergegeben.


5. T a l b r ü c k e bei der Arensburg (auf der Autobahnstrecke Hannover—Hamm)

Beim Übergang der Autobahn Hannover—Bielefeld—Hamm über das Wesergebirge sind vier Talbrücken von zusammen 1200 m Länge zu errichten. Das bedeutendste Bauwerk darunter ist die 560 m lange Talbrücke unterhalb des Schlosses Arensburg. Die Einordnung der Brücke in die reizvolle bewaldete Landschaft mit prachtvollem Baumbestand ist aus dem Geländemodell (Abb. 11) zu ersehen. Die Autobahn liegt an der Baustelle in der Neigung 1 zu 352 und in einer Krümmung mit dem Halbmesser R=1000 m und erhebt sich 25 m über der Talaue. Von der Obersten Bauleitung Hannover wurden unter Mitwirkung des künstlerischen Beraters Architekt Fricke, Hannover, für die Talbrücke bei Arensburg neben Vergleichs-Entwürfen in Stahl und Eisenbeton zwei baureife Entwürfe in Natursteinmauerwerk bearbeitet. Der in der nächsten Umgebung anstehende plattige Wesersandstein ist für ein lagerfestes Bruchsteinmauerwerk sehr geeignet und ergibt lebendige und farbige Sichtflächen.

Bild 11
Bild 11: Geländemodell für die Talbrücke bei Arensburg

Der Entwurf A I (Abb. 12 und 13) zeigt ein geschlossenes Bauwerk von 19 m Breite mit 28 Öffnungen von 16,10 m Lichtweite und zwei kleineren Endöffnungen für die Durchführung der Kleinbahn Rinteln—Bückeburg auf der Ostseite und der Straße Bad Eilsen—Bückeburg auf der Westseite. Die Öffnungen sind mit leicht überhöhten Gewölben von 0,60 m Scheitelstärke überspannt. Die radial gestellten Pfeiler sind am Kopf auf der Innenseite 2,70 m, auf der Außenseite 3,06 m dick und in der Mitte mit einer überwölbten Sparöffnung von 5,00 m Lichtweite durchbrochen. Die gekrümmte Fahrbahn erhält eine Querneigungvon 7 %. Die Gewölbe sind entsprechend der Fahrbahnquerneigung stufenförmig abgesetzt und voll übermauert. Der volle Überbau bildet die Unterlage für die durchgehende Dichtungsschicht. Das Oberflächenwasser wird in Längskanälen unter den Schrammborden am Mittelstreifen und am tiefliegenden Gehweg abgeführt und durch Abfallrohre in den Gewölbezwickeln ausgeleitet. Gemauerte, mit Steinplatten abgedeckte Brüstungen bilden den oberen Abschluß der Brücke. Das Lichtmaß zwischen den Brüstungen beträgt 18 m und verteilt sich auf die beiden Richtungsfahrbahnen von je 7,50 m Breite, die seitlichen Gehwege und den erhöhten Mittelstreifen mit je 1,00 m Breite. Der Querschnitt entspricht dem für Trogbrücken zulässigen Mindestprofil der Reichsautobahn.

Bild 12a     Bild 12b
Bild 12a (l): Längsschnitt der Talbrücke bei Arensburg nach Entwurf A I
Bild 12b (r): Pfeilerquerschnitt nach Entwurf A I mit Einzelheiten der Entwässerung

Bild 13
Bild 13: Modell für die Talbrücke bei Arensburg nach Entwurf A I

Gegenüber dem Entwurf A I mit vollen Gewölben von 19 m Breite zeigt der Entwurf A II (Abb. 14) eine aufgelöste Bauart mit einem Unterbau aus zwei getrennten, gemauerten Bogenstellungen in 12,50 m Lichtabstand, auf dem eine Eisenbetonrippenplatte ruht. Der Fahrbahnquerschnitt ist der gleiche wie bei Entwurf A I. Die Gewölbe des gemauerten Unterbaues sind je 3,00 m breit, die Querschnittabmessungen der Standpfeiler 3,00 mal 5,20 m. Die wandartigen Bogenstellungen in Bruchsteinmauerwerk tragen die Eisenbetonfahrbahntafel, die in der Seitenansicht nicht in Erscheinung tritt. Den oberen Abschluß der Brücke bildet ein durchlaufendes Deckgesims mit einer durchbrochenen Brüstung. Der Entwurf ergibt für die Seitenansicht aus der Ferne ein gutes Brückenbild. Aus der Nähe betrachtet stört die Eisenbetonplattenbalkendecke, die außerdem auf den Bogenstellungen ausmittig gelagert ist. Durch Zusammenrücken der Bogenstellungen auf 8,40 m Lichtabstand und Anordnung einer beiderseitig auskragenden Fahrbahnplatte (Entwurf A III, Abb. 15 und 16) konnten die statischen Verhältnisse der Fahrbahntafel verbessert und die Auflagerdrücke mittig auf die Bogenstellungen des Unterbaues abgesetzt werden. Hiermit erhält man eine klare konstruktive Form, die keiner Maskierung bedarf und ehrlich gezeigt werden kann. Die Verbindung des Mauerwerks im Unterbau mit der Eisenbetonbauweise der Fahrbahntafel erscheint zunächst ungewohnt.

Bild 14
Bild 14: Ansicht und Querschnitt zu dem Entwurf A II für die Talbrücke bei Arensburg

Bild 15
Bild 15: Modell zu dem Entwurf A III für die Talbrücke bei Arensburg

Bild 16a
   Bild 16b

 

 

 

Bilder 16a u. b: Ansicht, Untersicht und Querschnitt des Entwurfs A III für die Talbrücke bei Arensburg

Der konstruktive Baugedanke läßt sich aber durchaus befriedigend gestalten. Wenn außerdem die Eisenbetonplatte mit Zuschlagstoffen aus Wesersandsteinen hergestellt und steinmetzmäßig bearbeitet wird, braucht man nicht zu fürchten, daß sie gegenüber dem gemauerten Unterbau fremd und störend wirkt. Die weit ausladende Fahrbahntafel ergibt eine kräftige Schattenwirkung und läßt in Verbindung mit dem durchlaufenden Stahlgeländer die Brücke leichter erscheinen. Überschlägige Kostenschätzungen ergaben für die Stahlbrücke 3,0 Millionen RM, für die Natursteinbrücke mit vollen Gewölben 3,3 Millionen RM (Entwurf A I), für die aufgelöste Bauart mit Eisenbetonplatte ohne Auskragung nach Entwurf A II 2,7 Millionen RM, für die Eisenbetonkragplatte auf gemauerten Bogenstellungen nach Entwurf A III 2,4 Millionen RM. Der letzten Ausführung entspricht ein Einheitspreis von rund 230 RM/m2 Grundfläche, der als außerordentlich günstig zu bezeichnen ist. Der niedrige Preis ist einerseits auf die aufgelöste Bauart, andererseits auf die billige Lieferung des Wesersandsteins, der aus 20 Brüchen der Umgebung gewonnen werden kann, zurückzuführen. Das plattige Bruchsteinmauerwerk in einfachster handwerklicher Verarbeitung kostet 40 RM/m2. An der Baustelle wurden Probepfeiler in natürlicher Größe mit verschiedener Stein- und Mauerwerksbehandlung errichtet (Abb. 17).

Bild 17Bild 17: Probepfeiler für die Talbrücke bei Arensburg

Die Entscheidung des Herrn Generalinspektors Dr. Todt fiel bei der Talbrücke unterhalb der Arensburg zugunsten der reinen Steinbrücke mit vollen Gewölben und gemauerten Brüstungen aus. Für die drei übrigen, abseits vom öffentlichen Verkehr liegenden Brücken wurde die aufgelöste Bauart mit Bogenstellungen aus Bruchsteinmauerwerk, aus kragender Eisenbetonplatte und Stahlgeländer zur Ausführung bestimmt.

Für die Ausführung des Mauerwerks gelten folgende Richtlinien: Naturhaftes, plattiges Schichtmauerwerk aus verschiedenfarbigen Steinen, hell und dunkel gemischt, Bruchsteine möglichst wenig behauen mit schwachen Bossen, sofern der Stein nicht glatt bricht. Bearbeitung derartig, daß möglichst wenig Werkzeugspuren zurückbleiben. Höhe der Steine nicht unter 8 cm, Schichtung waagerecht. Ausgleichsteine bis zu 4 cm zulässig. Größere Steine, die zwei Schichthöhen umfassen, in den Ecken gesammelt, dazwischen lange Ecksteine in normaler Schichthöhe. Ausgesuchte Gewölbesteine für die Stirnflächen mit nachgearbeiteten Lagerflächen; Stoßfugen versetzt, geteilte Wölbsteine mit zunehmender Dicke von der inneren nach der äußeren Gewölbeleibung.



Für den sechsspurigen Ausbau der A2 musste die Brücke für neuen Aufgaben ertüchtigt werden. Die Arbeiten wurden in zwei Bauabschnitten durchgeführt: In den Jahren 1985 bis 1989 Bauabschnitt I, Bau einer neuen Brücke für die Richtungsfahrbahn Duisburg - Hannover und 1990 bis 1992 Bauabschnitt II, Umbau der alten Talbrücke für die Aufnahme der Richtungsfahrbahn Hannover - Duisburg. Die Einzelheiten darüber enthält u.a. die Archivale B122009 im Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte.

Schrifttum
Hochtief AG: "Ein neues Lehrgerüst für den Brückenbau"
- Technischer Kurzbericht - 1987

Kordina, K. "Berichte über die Verstärkung der Pfeiler im Auflagerbereich des neuen Überbaus für die Talbrücke Arensburg"
05.11.1990

Lüesse, G.: "Die Erfassung und Erhaltung von Brücken mit Denkmaleigenschaften"
Straße und Autobahn 11/1993

Droese, Siegfried u. Steven, Guido: "Aufständerungen der Gewölbebrücken der A2 im Wesergebirge
Gefügeverbesserungen an der Talbrücke Kleinenbremen"
Technische Universität Braunschweig, Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, Fachgebiet Massivbau
(28 S., 24 Abb., 1 Tab.)
Aufsatz S017597