ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A4: Autobahnbrücke über das Tal der Ilm bei Mellingen

Der Verlauf der Bundesautobahn A4 am Nordrand der deutschen Mittelgebirge führt dazu, dass die vielen am Gebirgsrand von Süd nach Nord verlaufenden Täler durch teilweise weitgespannte Brücken überquert werden müssen. Herausragende Bauwerke von ihrer Erbauungszeit bis heute sind solche Brücken wie die Muldebrücke bei Siebenlehn und die Teufelstalbrücke bei Stadtroda. Andere dagegen sind vielen Interessenten eher unbekannt und stehen im Schatten ihrer "großen Schwestern", obwohl sie von der architektonischen Ästhetik her und ihrer Größe oder auch wegen besonderer konstruktiver Merkmale durchaus Beachtung verdienen.

Wahrscheinlich ist auch, dass die Aufmerksamkeit auf eine Brücke beim Betrachter von der Höhe über der Talsohle abhängig ist. Unter Zugrundelegung dieser Annahme ist es nicht verwunderlich, dass die von den Architekten Schaechterle, Jüngling und Tamms entworfene Ilmbrücke, gelegen unmittelbar östlich der Anschlussstelle Apolda (früher AS Mellingen), selbst im Internet wenig Beachtung mit Text und Bild findet.

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Bild 1: Die Autobahnbrücken über das Tal der Ilm bei Mellingen.
Im Vordergrund die neue Brücke, dahinter die Bogenbrücke von 1938.

Ist von der Ilmbrücke die Rede, so müssen seit 2005 zwei Bauwerke genannt werden: Die alte, denkmalgeschützte Brücke aus dem Jahr 1938 und der Neubau, welcher im Zuge der Erweiterung der Richtungsfahrbahnen auf 2 x 3 Fahrstreifen erforderlich war. Auch bei der Ilmbrücke wurde darauf geachtet, dass beim Anblick aus südlicher Richtung die Bauelemente der neuen Brücke nicht die Kreissegmentbogen der alten Brücke mehr als erforderlich überdecken. Die neuen schlanken Pfeilerpaare stehen deshalb in Fluchtrichtung der bereits vorhandenen Pfeiler und geben soweit wie möglich die Sicht auf diese frei.

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Bild 2: Anblick der Brücken von Süden.

Die Brücken haben einen Abstand von 5 m, wobei die Sicht zu beiden Seiten der Richtungsfahrbahnen kaum durch die Brückengeländer gestört wird. Dennoch ist das kleine, sehr flache Flüsschen Ilm mit seinen baumbestandenen Ufern im Vorüberfahren kaum zu bemerken.

Die Höhe der Fahrbahn über der Talsohle beträgt lediglich 22,5 m. Deshalb, und weil die Hangneigung insbesondere an den westlichen Widerlagern sehr flach ausgebildet ist, werden das Vorhandensein eines Tales und die jeweilig überfahrene Brücke von den Fahrzeuglenkern nur selten wahrgenommen.

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Bild 3: Blick auf die östlichen Bogen und das Widerlager der Brücke von 1938.

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Bild 4:
Die Pfeiler stehen auf tiefen Gründungen, da der Talboden aus Schwemmmassen der Ilm besteht. Jeder Pfeiler hat ein Spargewölbe welcher das Gesamtbild auflockert und den Eindruck von plumper Masse verhindert. Auffallend sind die regelmäßig vorhandenen Dehnungsfugen.

Die Brücke ist innen hohl und kann von mehreren Zugängen aus für Wartungsarbeiten betreten werden.

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Bild 5: Blick auf die westlichen Bogen in Richtung der Erfurter Seite.
Der mittlere der insgesamt 5 Brückenbogen wird durch das sich in der Ilm spiegelnde Sonnenlicht erhellt.

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Bild 6: Die Brücke erscheint auf diesem Foto so, als ob sie in einer Kurve verlaufen würde. Dem ist jedoch nicht so, die Fahrbahnen verlaufen geradlinig. Die Verbreiterung des Widerlagers kann von einem heute nicht mehr vorhandenen Parkplatz herrühren, wie ihn in den 1930er Jahren viele Brücken an den Kopfenden hatten. Heute betrachten Wanderer beide Brücken lediglich vom Ilmwanderweg aus.

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Bild 7: Sanft schlängelt sich die Autobahn über die Hügellandschaft des Thüringer Beckens. Blick entlang der Richtungsfahrbahn Erfurt kurz vor der Ausfahrt Apolda mit Anschluss an die von Ilmenau nach Frankfurt (Oder) führende Bundesstraße 87.

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Bilder 8a und 8b : Beidseitig sind die Ränder der Brückenkanten mit Konsolsteinen verziert, auf denen die Fahrbahnplatte als fugenlose Stahlbetonplatte aufliegt.
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Bild 8c: Längsschnitt durch einen Pfeiler der Ilmbrücke bei Mellingen.

Über die Konstruktion heißt es in der Zeitschrift Die Strasse 4 (1937), S. 403: "Die Brücke erhält 5 Öffnungen, die mit schiefen Gewölben von 42 m Weite überspannt werden. Die niedrigen Zwischenpfeiler in der Talaue sind mit weit vorspringenden Vorköpfen versehen. Die 43,40 m weitgespannten, flachen Kreissegmentgewölbe werden im Scheitel 1,04 m, an den Kämpfern 1,70 m dick aus Klinkermauerwerk in zwei Ringen ausgeführt [Abb. 8c]. Die Sparöffnungen im Aufbau sind mit Eisenbetonplatten abgedeckt und so verteilt, daß die Stützlinie für Eigengewicht angenähert mit der Gewölbemittellinie sich deckt. An der Ansicht werden die Gewölbezwickel durch Stirnwände geschlossen. Die Pfeiler, Gewölbestirnen und Aufbauwände erhalten eine Vormauerung von Hausteinen aus Muschelkalk. Den oberen Abschluß bildet eine auf Kragsteinen verlegte Gesimsplatte und eine massive Brüstung. Die Fahrbahnentwässerung geschieht durch Längskanäle über den Stirnmauern. Über den Pfeilern sind überwölbte durchlaßförmige Öffnungen vorgesehen, die die Stirnwände durchbrechen und das Brückenbild beleben. Auch bei diesem Bauwerk hat Architekt Friedrich Tamms als künstlerischer Berater gestaltend mitgewirkt."

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Bild 9: Niederschlagswasser der neuen Brücke wird der Ilm zugeführt. Der durch die Bauarbeiten verletzte Hang muss sich nach und nach erst wieder erholen, weshalb Regenwasser durch flache Faschinen aufgehalten und der Boden durch schnellkeimende Nassansaat gebunden werden soll.

Der Abstand der Pfeiler der neuen Brücke beträgt 51 m, womit sie, wie oben bereits angeführt, annähernd in Fluchtrichtung der Pfeiler der alten Brücke stehen. Im oberen Pfeilerbereich verbindet ein mit Kalksteinen verkleideter Riegel das jeweilige Pfeilerpaar.

 

Brücken der Autobahnen und Naturschutz

Brücken bieten aufgrund ihrer Bauweise vielfältige Möglichkeiten für Vögel zum Nestbau oder um Unterschlupf zu finden. Bereits beim Bau der Reichsautobahnen wurde deshalb darauf Wert gelegt, Brutmöglichkeiten für Vögel zu schaffen bzw. Ein- und Ausflugmöglichkeiten in die Brückenhohlräume zu gestalten. Insbesondere die großen Steinbrücken beherbergen oftmals große Kolonien von Dohlen oder sind Heimstätte für Fledermäuse.

Die nachfolgend wiedergegebenen zwei Abildungen aus der Zeitschrift Die Straße 5 (1938), H. 24, S. 785 zeigen Beispiele von Nisthilfen für Reichsautobahnbrücken.

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Göttinger Niststeine vor dem Einbau. Links und rechts Niststeine für Ganzhöhlenbrüter mit 32 und 46 mm Schlupfloch.
Mitte: Niststein für Halbhöhlenbrüter

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Göttinger Niststein nach dem Einbau.
Durch gleiche Bearbeitung der äußeren Fläche wird der Niststein dem Mauerwerk des Brückenpfeilers angepasst.

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Bilder 10a und 10b: Schöne Beispiele praktizierten Naturschutzes an der Ilmbrücke: Jeder Pfeiler der neuen Brücke wurde mit einem Nistkasten versehen oder bietet am Pfeiler die Möglichkeit individuellen Nestbaues.

Text und Fotos: H. Schneider, Naumburg (Saale), 4/2012; 6/2016